Wer geht in Greifswald bei den Montagsdemonstrationen auf die Straße?

Seit ein paar Monaten finden in Greifswald Montagsdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen statt. Diese verzeichnen nicht nur zunehmend Zulauf, ebenso wird der Ton aggressiver und Journalist*innen und Andersdenkende werden angegriffen. Zuletzt flogen Böller auf Menschen einer Gegendemonstration. Doch wer sind die Leute hinter der Montagsdemonstration?

Ein Gastbeitrag von Sandra Grubert

Der Organisator: Andreas Pieper

Von Anfang an prominent dabei ist der Greifswalder Andreas Pieper. Pieper studierte in Greifswald Physik und ist kein Neuling in Sachen Verschwörungserzählungen.

Nach eigenen Aussagen stieß Pieper 2014/15 auf die „Problematik um 9/11“. 2018 befasste er sich schlussendlich mit der Annahme des Verschwörungserzählers Heinz Pommer, welche später als „Ground-Zero-Modell“ bezeichnet wurde. Hierbei handelt es sich um eine gängige Verschwörungserzählung der sogenannten Truther-Bewegung. Sie geht davon aus, dass Medien und Regierungen die Bevölkerung bewusst fehlinformieren. Die Anschläge von 9/11 sind in ihren Augen eine False-Flag-Operation der US-Regierung.

Rechts: Andreas Pieper, Anmelder der Greifswalder Corona-Kundgebungen (Foto: greifswald.gerade)

Seine Annahmen zu 9/11 erzählt Pieper auch in einigen Videos auf YouTube-Kanälen, die für die Verbreitung von Verschwörungserzählungen bekannt sind. Zu eben derselben Thematik war er 2019 auf dem esoterischen Friedensfestival Pax Terra Musica als Redner eingeladen.

Das Festival wirbt auf seiner Website damit Menschen, „die vorgefertigte Denkmuster etablierter Informationsportale durchstoßen haben, Geopolitik zu analysieren und den Geist des Friedens in sich tragen“ zu vereinen.

Auf seinem Couchsurfing-Profil schreibt Pieper von sich selbst: „Like controversial discussions and I don’t care about political correctness or play with this.” Das er davon wirklich nicht viel hält, merkt man an einem Kommentar unter einem Artikel zur Identitären Bewegung im webmoritz aus dem Jahr 2018 in dem er von „verblödeten Antifanten“ schreibt. Ein Terminus, welcher im rechtsextremen Milieu geläufig ist und in den letzten Jahren des gesellschaftlichen Rechtsrucks auch in der bürgerlichen „Mitte“ der Gesellschaft Einzug erhalten hat.

In der Truther-Bewegung ist die Nähe zu radikalen religiösen Gruppen und Rechtsextremismus keine Seltenheit.

Der Berufsmusiker Martin Wendel auf populistischen Abwegen

Martin Wendel ist ein auf Usedom ansässiger Berufsmusiker, der über 20 Jahre im Geschäft ist.

Wendel, der sich selbst als „weder rechts, noch links“ beschreibt, begrüßte dabei nicht nur die Anwesenheit einer AfD-Bundestagsabgeordneten bei einer Demonstration in Wolgast, er selbst trat auch als Redner bei der AfD-Demonstration am 06. Dezember in Greifswald auf.

Sprecher Martin auf einer Corona-Demo in Wolgast
Martin Wendel als Braveheart, Wolgast, 06.01.2022 (Foto: Filmstill)

Er spricht nicht nur regelmäßig auf Demonstrationen in Greifswald, sondern u.a. auch in Stralsund, Neubrandenburg und Wolgast. Auf YouTube sind die Videos seiner Reden tausendfach geklickt. Anhand dieser Videos lässt sich nachvollziehen, welche sprachliche Radikalisierung Wendel in den letzten Wochen vollzogen hat.

Anfänglich entlud sich sein Frust auf seine berufliche Situation, die ihn seinerzeit in die Lage gebracht hat, aus der Künstlersozialkasse auszuscheiden.

Mittlerweile zeigt sich in seinen populistischen Reden eine demokratiefeindliche Haltung, die mit „rechts-antikapitalistischen“ Momenten spielt, die an die Argumentationslinie der rechtsextremen Kleinstpartei 3. Weg erinnern.

Harmlose Bürger*innen im Greifswalder Montagsdemo-Telegram-Chat?

Ein Blick in die Telegram-Gruppe lässt auf einen Zusammenhang schließen, dass Personen dieser rechtsextremen Partei an der Organisation der Montagsdemonstrationen beteiligt sind.

Screenshot Telegram Mo-Demo Greifswald
Screenshot: Telegram Mo-Demo Greifswald Chat

Derzeit zeigt sich auch bei anderen Demonstrationen im Land, das von Identitären, über Personen der Kameradschaftsszene bis hin zur rechtsextremen AfD zu den Demonstrationen mobilisiert wird. Sellenweise übernehmen Rechtsextreme Schlüsselfunktionen in den Orga-Gruppen.

Die Demonstrationen sind also nicht, wie anfänglich vielfach angenommen, Interessensbekundungen Bürgerlicher. Vielmehr sind sie Mobilisierungspunkte antidemokratischer Personen aus dem rechten Spektrum bis hin zur bürgerlichen „Mitte“ zur Erprobung metapolitischer Strategien der Neuen Rechten.

Ist Populismus angesagt, steht auch schon die AfD parat

Schon bevor in Greifswald die Montagsdemonstrationen begangen, vereinnahmte die AfD das Thema für sich. Eine Studie der Universität Leipzig zeigt, dass vor allem AfD-Wähler*innen an Verschwörungserzählungen glauben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in Regionen und Städten mit einem hohen Anteil an AfD-Wähler*innen das Mobilisierungspotenzial zu Anti-Corona-Demonstrationen höher ist als in Regionen, in denen überwiegend demokratische Parteien gewählt werden.

Ein Blick in die Zahlen bestätigt diese Annahme. 2019 wählten 19,2% der Wähler*innen in Wolgast die AfD. Damit wurde die Partei zweitstärkste Kraft. In Neubrandenburg erlangte die AfD bei den Kommunalwahlen 2019 16,0% der Stimmen.

Bei der AfD-Demonstration im Dezember vergangenen Jahres zeigt sich in Greifswald, wie Mitglieder lokaler rechtsextremer Burschenschaften und der Identitären Bewegung an der Demonstration teilnahmen, so wie es ebenfalls derzeit in Rostock zu beobachten ist.

Nicht nur ein harmloser Schatzmeister: Klaus-Peter Last

Ebenso wie Andreas Pieper ist auch Klaus-Peter Last aus dem rechtsextremen Flügel der AfD Mitglied in der Telegram-Gruppe für die Greifwalder Corona-Demonstrationen. Last war 2013 Landesschatzmeister der AfD Mecklenburg-Vorpommern und fällt schon seitdem mit seiner rechtsextremen Einstellung auf. Er nahm auch an mehreren Demonstrationen der FFDG teil.

Klaus Peter Last (AfD) bei FFDG-Demonstration in Greifswald
Klaus-Peter Last am 02.05.2016 mit Wirmer-Flagge bei der FFDG-Demonstration „Gegen die aktuelle Bundesrepublik“ Foto: (Nils Borgwardt via Flickr)

Bis heute zeigt er offen auf Instagram, Facebook und VK seine rechtsextremen Ansichten.

Fotos zeigen, dass Last Kontakt zu den drei in Greifswald ansässigen rechtsextremen Burschenschaften hat. Diese fungieren seit Jahren als eine Art Kaderschmieden für rechtsextreme Parteien wie der AfD und NPD.

Last sammelt Bücher des rechtsextremen Antaios Verlags des Publizisten Kubitschek und war ebenfalls in Schnellroda zu Gast. Schnellroda befindet sich in Sachsen-Anhalt und ist der Wohnort des neurechten Publizisten-Ehepaars Götz Kubitschek und Ellen Kositza. Auf ihrem Rittergut befindet sich seit 2002 nicht nur der besagte Verlag, sondern auch das „Institut für Staatspolitik“, welches als Veranstaltungsort der Neuen Rechten fungiert.

Klaus-Peter Last und Hans-Thomas Tillschneider
Klaus-Peter Last hier neben Hans-Thomas Tillschneider (AfD), Screenshot Instagram, 07/2021

Des Weiteren lässt sich Last zu dem Unterstützer*innenkreis des früheren Landtagsmitglieds und derzeitigen Greifswalder Jura-Professors Dr. Ralph Weber zählen. Dieses wird nicht zuletzt an seinen Äußerungen in den Sozialen Medien deutlich.

Was bedeutet das für die Greifswalder Zivilgesellschaft?

Ängste, Kritik an politischen Maßnahmen und persönliche existenzielle Krisen sind kein Grund sich mit Rechtsextremen, Populist*innen und Verschwörungsgläubigen auf die Straße zu begeben und gemeinsam zu demonstrieren. Rechtsextreme nutzen die Sorgen und Ängste von Menschen aus, um sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die wirklichen Probleme von Menschen interessieren sie nicht.

Die Mehrheit der Greifswalder Bürger*innen ist geimpft und zeigt sich solidarisch. Angriffe jeglicher Art sei es auf Journalist*innen oder Gegendemonstrant*innen ist in keiner Weise zu tolerieren. Einen Rückfall in Zeiten, welche an die #Baseballschlägerjahre erinnern, ist nur durch eine demokratische Stadtkultur entgegenzuwirken.

Der einzige Weg aus der Pandemie ist, wie bereits unser OB Fassbinder festgestellt hat: „Impfen, impfen, impfen.“


Sandra Grubert (Die Linke) ist angehende Journalistin und beschäftigt sich seit mehr als 10 Jahren mit dem Phänomenbereich Rechtsextremismus. Ihre Recherche liegt seit 2018 auf dem Fokus Mecklenburg-Vorpommern.

„Wir fordern ein Nürnberg 2.0“ —Redebeitrag einer Corona-Demonstration in Greifswald

Bei der Querdenker-Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen Anfang Januar hielt der offizielle Anmelder des Umzugs eine Rede, deren drastische Forderungen bei vielen Unbeteiligten Entsetzen auslösten. Hier ist die verschriftlichte Version dieses Redebeitrags.

In sozialen Medien äußern Teilnehmende der Greifswalder Querdenker-Demonstrationen immer wieder Unverständnis, werden sie mit dem Vorwurf konfrontiert, sich mit Rechtsextremen oder rechtem Gedankengut gemein zu machen. Dabei unterstreicht eine Rede vom 03.01.2022, wie sehr sich die treibenden Kräfte in der Szene der Querdenker- und Coronaprotestierenden mittlerweile radikalisiert haben.

Teile des Organisationsteams der Corona-Proteste in Greifswald
In der 1. Reihe Teile des Organisationsteams beim gemeinsamem Verstoß gegen die Versammlungsauflagen, v.r.n.l.: Ina W., Verfasserin des Offenen Briefs an MP Schwesig, Martin Klein (Die Basis), Anmelder der Corona-Demonstrationen in Greifswald („Nürnberg 2.0“), Andreas Pieper, Anmelder der Greifswalder Corona-Mahnwachen (Foto: greifswald.gerade)

Den Inhalten von Demokratiegegnern sollte man keine Bühne bieten und es auch tunlichst vermeiden, ihren Ideen zusätzliche Reichweite zu verschaffen. Doch der Redebeitrag des Anmelders der inzwischen wöchentlich stattfindenden Querdenker-Demonstrationen in Greifswald, Martin Klein (Die Basis), ist ein düsteres Zeugnis dieser Entwicklung, das wir uns vergegenwärtigen sollten.

In seiner Rede auf dem Greifswalder Marktplatz verlangte der Anmelder im Namen der circa 400 Teilnehmenden die Rücknahme aller Corona-Maßnahmen, den Rücktritt der Regierung, die Annullierung aller Gesetze, die seit der Pandemie erlassen wurden, und die Belangung aller „Schuldigen“. Weiterhin forderte er ein „Nürnberg 2.0“, eine zügige Wiederherstellung unabhängiger Gerichte, die Abwicklung der öffentlich-rechtlichen Medien und die völlige Reformierung des Bildungssystems.

„Nürnberg 2.0“ und 400 Leute applaudieren — keine Pointe.

Coronademonstration Greifswald Redebeitrag
Der Anmelder der Corona-Demonstrationen, Martin Klein (Die Basis) bei seiner Rede am 03.01.22 in Greifswald (Filmstill)

Redebeitrag des Anmelders der Corona-Demonstration am 03.01.2022, Marktplatz Greifswald

„Hallo Greifswald. Ich bin auch ein Martin.

Ja. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir mal über politische Forderungen reden. Wir haben so viele Sachen ad absurdum erlebt, dass es wirklich mal Zeit ist.

„Wir brauchen einen ganz anderen Parlamentarismus“

Es genügt nicht, dass die Corona-Maßnahmen aufgehoben werden. Es genügt nicht, dass die Regierung zurücktreten muss. Wir fordern die Annulierung aller Gesetze, die unter den Corona-Notstandsbedingungen erlassen wurden.

Wir brauchen einen ganz anderen Parlamentarismus. Es darf nie, nie wieder passieren, dass irgendwelche Lobbyisten ganzen Parlamenten den Glauben verdrehen. Dass die irrational werden und sich jetzt völlig ins Abseits bringen. (Applaus)

Wir fordern, dass die wirklich Schuldigen, ich denke an den Davoser Club, und ihre Handlanger belangt werden.

Wenn man sich die Vorstellung dieser Herrschaften anguckt, dann wollen sie eine Volkszählung, sprich Reichtums-, äh, Besitzzählung machen. Und dann wollen sie, um die Corona-Geschädigten zu entschädigen, das restliche Volk enteignen. Solche blöden Geschichten gibt‘s schon im Umlauf. Ich will hoffen, dass das nicht so kommt.

Das sind so meine Kritikpunkte an der Legislative. Kommen wir mal zur Exekutive.

Ich habe den Umzug angemeldet. (Applaus)

„Wir fordern ein Nürnberg 2.0“

Ich werde das hier nicht ausführlich erklären, warum die Maske kontraproduktiv ist. Ich habe das bei der Antragsstellung mehrmals angemahnt, dass diese Maske keinen Sinn macht. Ich habe heute die Gelegenheit gehabt, mit den Verantwortlichen persönlich zu sprechen. Die Antwort ist einfach: Da kann man nicht drüber diskutieren: „Ihr habt das zu machen“.

(Buhen, Pfeifen)

Die Exekutive vergisst, dass sie von unseren Steuergeldern leben. (Pfeifen) Und wir wollen eine Exekutive, die auch für uns da ist. (Applaus)

Zur Judikative, die dritte Gewalt.

Wir fordern die zügige Wiederherstellung von unabhängigen Gerichten. Und wir fordern ein Nürnberg 2.0.

„Diese öffentlich-rechtlichen Medien muss man abwickeln“

Zur vierten Gewalt

Das, was die Medien uns abliefern im Moment, das ist irgendwo nicht mehr begreifbar. Und ich sehe das keine andere Möglichkeit. Diese öffentlich-rechtlichen Medien muss man abwickeln. So, wie es die Treuhand gemacht hat.

(Applaus, Pfeifen, Sprechchöre: „Widerstand“)

Lasst mich mal ausreden. Wir brauchen einen Neustart von freien Medien.

(lauter Beifall)

Ich könnte diese Forderungsliste noch beliebig fortsetzen. Eins liegt mir noch sehr am Herzen. Wir brauchen ein völlig reformiertes Bildungswesen.

(Beifall, Polizist im Hintergrund klatscht)

Ich will das jetzt nicht weiter ausführen.

„Die müssen endlich aufwachen, sich nicht mehr alles gefallen lassen“

Und dann möchte ich, dass die regionale Wirtschaft aufwacht und endlich aus diesem Dilemma herauskommt. Die muss wieder zum Leben erweckt werden.

Es ist schon eine komische Meldung von voriger Woche. Daimler verlässt Deutschland. Und was ist mit unseren regionalen Unternehmern? Die müssen endlich aufwachen, sich nicht mehr alles gefallen lassen.

Und wir müssen lernen, auch füreinander einzustehen. Danke für die Aufmerksamkeit.

Ich will noch was sagen, oder ich muss noch was sagen. Damit ich nachher nicht beim Umzug nochmal anfangen muss zu reden.

Ich mache den Umzug. Es gelten die üblichen Auflagen. Zu dem Problem Maske habe ich schon was gesagt. Unsere Gegenüber, die nehmen das sehr ernst. Ich muss euch das so sagen und wir werden es irgendwie auch durchsetzen müssen. Es ist absurd.“

Ein Video des Redebeitrags liegt vor.

Mehr Protest gegen Corona-Proteste!

Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben in den letzten Wochen in vielen Städten Zulauf erfahren und sich kontinuierlich radikalisiert. Diese gefährliche Entwicklung findet leicht verzögert auch in Greifswald statt. Es ist an der Zeit für mehr Protest gegen Proteste.

Am Montag findet auf dem Marktplatz eine große Kundgebung statt. Das Bündnis „Greifswald für Alle“ ruft dazu auf, unter dem Motto „Impfen – Verantwortung und Solidarität!“ zu zeigen, dass die hiesige Bevölkerungsmehrheit die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für notwendig erachtet. Auf der Kundgebung werden der Oberbürgermeister Stefan Fassbinder sowie mehrere Ärztinnen, Wissenschaftlerinnen, Politiker und Kulturschaffende sprechen.

Das Bündnis beobachtet mit großer Sorge die stetig zunehmenden Teilnehmerzahlen wöchentlich stattfindender Montagsversammlungen in Greifswald und kritisiert deren fehlende Abgrenzung zum rechten Rand und die Verbreitung von verschwörungsideologischen Falschinformationen.

Coronademo Greifswald
Redner Martin (Insel Usedom) vor Angehörigen der AFD und FFDG-Aktivisten fragt, wo es Rechtsextremisten in der Demonstration gäbe (Foto: Filmstill)

Das ist nicht Leipzig 1989, sondern Dresden 2015

Diese Sorge ist angeraten. Denn die von den Initiatoren bewusst als „Spaziergänge“ verharmlosten Demonstrationen haben, wo wir schon beim Thema Framing sind, nichts mit der friedlichen Revolution der DDR zu tun. Das ist nicht Leipzig 1989, sondern Dresden 2015.

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Impfen – Verantwortung und Solidarität!

Ein Aufruf des Bündnis „Greifswald für alle“

Mit großer Sorge beobachten wir die mit stetig zunehmender Teilnehmerzahl wöchentlich stattfindenden Montagsversammlungen in Greifswald. In der Mehrheit sind diese Teilnehmer*innen Corona-Leugner und Querdenker. Es versammeln sich dort nur einige wenige Menschen, die vielleicht teils berechtigterweise einer Impfung kritisch gegenüberstehen.

Eine klare Abgrenzung vom rechten Rand ist nicht zu erkennen. „Wir brauchen eine neue Regierung!“ lautete z.B. ein Aufruf am 20.12. Am 27.12. wurde der Corona-Virus mit der Grippe verglichen, Impfungen wären Gen-Experimente der Regierung und eine Rednerin ist stolz auf ihren Ungeimpft-Status, denn Corona sei mit Hausmitteln heilbar. Sich impfende Menschen sind arrogant, wenn sie denken, ein Pieks würde Corona aufhalten. Die 2G-Regel ist überflüssig – Essen, Sauna und Spaziergänge würden das Immunsystem stärken. Es fielen Aussagen wie „Ab jetzt gilt ziviler Ungehorsam!“ und „Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht!“.

Wir als Bündnis „Greifswald für Alle“ haben beschlossen, mit solidarischen Greifswalderinnen und Greifswaldern ein deutliches Zeichen für Demokratie zu setzen und zu zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung die geltenden Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie für nötig hält. Mit einer Kundgebung wollen wir aktiv aufklären und für die Impfung werben. Wissenschaftler*innen sollen in Redebeiträgen über bewiesene Erkenntnisse zum Virus sprechen, Menschen aus der Kulturbranche können über ihre Erfahrungen berichten und auch Politiker*innen dürfen zu Wort kommen.

Unter dem Titel Impfen – Verantwortung und Solidarität! laden wir zu einer Veranstaltung am 3. Januar ab 19 Uhr auf dem Greifswalder Marktplatz ein.

Wir hoffen, mit Abstand, dem korrekten (!) Tragen von Masken (möglichst FFP2) und dem Aufruf zu einem Corona-Schnelltest vor Teilnahme an der Veranstaltung ein Infektionsrisiko möglichst ausschließen zu können.

Vorläufige Redner*innen-Liste:

  • Stefan Fassbinder, OB
  • Theaterintendant Ralf Dörnen
  • Eva-Lotta Brakemeier (Direktorin des Zentrums für Psychologische Psychotherapie (ZPP), Initiatorin „Gemeinsam für psychische Gesundheit“, Impfberatung)
  • Prof. Barbara Bröker (Abteilungsleiterin Immunologie UMG)
  • Murat Demirkaya (Club Rosa)
  • Hennis Herbst (AStA Vorsitz)
  • Michael Mahlburg (Pastor der Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald)
  • Hannes Damm (Bündnis90/Die Grünen)
  • Anna Kassautzki, MdB (SPD)
  • Walter Noack (CDU)
  • Daniel Seiffert (Die Linke)

Die Rechtsoffenheit der Greifswalder CDU

Ein Gastbeitrag von Ramon Tobias

Schon nach der Kommunalwahl 2014 ging die Truppe um Egbert Liskow, Axel Hochschild und Sascha Ott eine Zählgemeinschaft mit der AfD ein. Und seitdem machten die hanseatischen Christdemokraten jede Rechtsdrift mit. 

Fraktionschef der Greifswalder AfD ist Nikolaus Kramer, der an den Treffen des “Flügels” der AfD um Höcke und Kalbitz teilnahm. Der Flügel gilt als der größte innerparteiliche Zusammenschluss und weist „gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ auf, so der Verfassungsschutz.

Der CDU-Fraktionschef trifft sich regelmäßig mit dem Flügel-nahen AfDler Nikolaus Kramer

Die Flügel-Vertreter werden seit März 2020 nachrichtendienstlich beobachtet. 2016 war Kramer Teilnehmer der Greifswalder „FFDG“ und bekundete dort sogar in einer Ansprache seine eindeutig positive Einstellung zu diesem besonders extremistischen PEGIDA-Ableger. 

Der FFDG-Organisator Norbert Kühl hatte bereits zuvor zutiefst rassistische und antisemitische Reden gehalten, was Kramer nur allzu gut wusste. Denn die rechtsextreme Positionierung der FFDG war ihm nicht nur über Presseberichte und soziale Medien bekannt, sondern auch in seiner Funktion als Polizist. Er begleitete nämlich vorher in dienstlichen Aufträgen die FFDG-Aufmärsche und konnte so die braunen Ausfälle Kühls direkt mitverfolgen. Offenbar animierte ihn das nur noch, erst Recht sich auch als Privatperson sowie als damaliger AfD-Landtagskandidat zur Kühlschen Agenda von Rassismus und Antisemitimsus zu bekennen. 

Petra Albrecht-Kühl und Norbert Kühl auf der rechtsextremen FFDG-Demonstration in Greifswald
Hervorgehoben im Vordergrund: Petra Albrecht-Kühl (links, FFDG-Organisatorin), Norbert Kühl (rechts, FFDG-Sprecher) (Foto: Fleischervorstadt-Blog, 10/2015)

Dass Kramer also vom Verfassungsschutz aufgrund seiner eindeutigen Positionierung und Verstrickungen nach Rechtsaußen beobachtet wird, kann angenommen werden.

Was meint die Greifswalder CDU dazu?

Kurzer Rückblick: die vorpommersche CDU gründete 2016 mit Philipp Amthor und Sascha Ott den sogenannten „Konservativen Kreis“, einen regionalen Vorläufer der Werte-Union, deren prominentestes Mitglied wiederum der Amthor-Unterstützer Hans-Georg Maaßen ist. Maaßen warb beispielsweise in Thüringen offen darum, auch mit der AfD in Sondierungsgespräche zu gehen.

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Ermittlungen gegen Polizeibeamten in Greifswald – Erneut Datenabrufe ohne dienstlichen Grund

Pressemitteilung Lobbi MV

In Greifswald wird gegen einen Polizeivollzugsbeamten wegen möglichen Verstößen gegen das Landesdatenschutzgesetz ermittelt. In mehreren Fällen soll der Polizist versucht haben, ohne dienstlichen Grund an personenbezogene Daten zu gelangen. Die Betroffenen befürchten, dass damit politische Gegner:innen ausgespäht werden sollten und die Informationen womöglich an Personen aus dem rechten Spektrum weitergegeben wurden.

In der Vergangenheit waren bereits Polizisten mehrfach an derartigen Datenabrufen beteiligt. Im Zuge der Ermittlungen gegen das rechte Netzwerk „Nordkreuz“ wurden beispielsweise Adressen und ein Wohnungsgrundriss gefunden, die mutmaßlich aus dienstlichen Quellen eines inzwischen suspendierten Polizisten stammen.1

Ermittlungen gegen Polizeibeamten in Greifswald

(Screenshot eines älteren Posts des tatverdächtigen Polizisten in der betroffenen Facebook-Gruppe, Logos: Wikpedia Hintergrundfoto: Nils Borgwardt, Mix: Fleischervorstadt-Blog)

Die aktuellen Ermittlungen lösten im Frühjahr 2019 die Betroffenen selbst aus. In einer Facebookgruppe, die aktuelle Greifswalder Ereignisse diskutiert, wurde durch rechte Gruppenmitglieder zum Teil nicht öffentlich verfügbare Informationen über Mitdiskutierende, wie Wohnadressen und Klarnamen, offen gelegt. Eine betroffene Person wurde telefonisch kontaktiert. Mindestens vier Betroffene erstatteten Anzeigen, um zu klären, wie die Betreffenden an ihre Daten gelangten. In den Fokus geriet dadurch der Polizeibeamte, der zeitweise Mitglied der Facebookgruppe war und in dem sozialen Netzwerk offen mit der AFD und rechten Positionen sympathisiert.

In einem Fall bejahte die Staatsanwaltschaft Stralsund bereits, dass der Beamte versucht habe, an Daten zu gelangen. Da der Versuch wegen einer eingerichteten Auskunftssperre aber erfolgslos war, liege keine Straftat vor und das Verfahren wurde eingestellt. In weiteren Fällen sind die Verfahren noch nicht abgeschlossen. In Vernehmungen bei der Polizei wurden den Betroffenen allerdings erfolgreiche Datenabrufe zu ihren Personen beispielsweise über Fahrzeughalterabfrage bestätigt. In der Sache wurde auch das Büro des Landesdatenschutzbeauftragten eingeschaltet.

„Wir fordern, dass alle Betroffenen darüber informiert werden, dass sie ausgespäht wurden und ob sich Gefährdungen daraus ergeben“

Ein Betroffener äußerte gegenüber der LOBBI sein Unverständnis über die Dauer der Ermittlungen: „Nach einem Jahr erwarten wir jetzt endlich Konsequenzen für den Beamten und Vorkehrungen bei der Polizei, dass so etwas nicht wieder vorkommt.“

Kay Bolick, Mitarbeiter des Beratungsvereins: „Es kann nicht sein, dass illegale Datenabrufe von rechten Polizist:inn:en nur durch Zufall entdeckt werden. Auch in Mecklenburg/Vorpommern müssen wie in Hessen regelmäßige Kontrollen eingeführt werden2. Wir fordern zudem, dass im aktuellen Fall gegebenenfalls alle weiteren Betroffenen darüber informiert werden, dass sie ausgespäht wurden und ob sich Gefährdungen daraus ergeben.“